Die Kraft des Schweigens

09. November 2022

Schweigen?
In einem Rhetorik-Club? Unbedingt! Schweigen, Pausen machen, Durchatmen und nichts sagen ist ein sehr kraftvolles Mittel in einer öffentlichen Rede. Schweigen ist so viel besser, als Ähm - Öhm oder sonst einen nichtssagenden Laut von sich zu geben. Pausen steigern außerdem die Spannung und können die Aufmerksamkeit im Publikum auf geradezu magische Weise gewinnen.

Schweigen braucht - wie das Reden auch - Mut. Mit Mut zur Pause kann es einem gelingen, die lästigen Äm-öm-Laute aus der eigenen Rede zu verbannen. Bei den Toastmasters Mut und Rede in Berlin-Neukölln trainieren wir das flüssige, Äh-freie Reden an jedem ersten und dritten Montag im Monat. Dabei nutzen wir auch die Kraft des Schweigens.

Wie kommt es überhaupt zu den lästigen Äh und Öh?

Mehrere Gründe spielen eine Rolle. Da ist Verlegenheit - das nächste Wort, das richtige Satzende, die passende Formulierung fällt einem gerade nicht ein - und die kleine Nachdenk-Lücke wird mit einem Laut überdeckt. Daher kommen Äh und Öh beim spontanen Sprechen - wie in Interviews oder einfach bei Gesprächen in Meetings - auch häufiger vor als in vorbereiteten Reden. Das Gute daran: Im direkten Gespräch mit jemandem fallen dem Gesprächspartner die Äh und Öh meist weniger auf und stören weniger. Ganz einfach, weil eine Gesprächssituation einen sehr persönlichen Austausch darstellt und die Konzentration oft stark auf den Inhalten und dem Gegenüber liegt. Außerdem gibt es einen ständigen Wechsel zwischen zuhören und selber sprechen. Schon beim Zuhören legen sich viele bereits den eigenen Redebeitrag zurecht und hören vielleicht nur mit einem Ohr zu. Bei der öffentlichen Rede vor einem Publikum dagegen - egal ob live oder in Aufnahmen - sind die Zuhörenden stärker in einer Beobachterrolle und schauen mit mehr Distanz auf die Situation. Äh und Öh fallen da stärker auf - und nerven leider auch mehr. 

Warum stören uns diese Mikro-Unterbrechungen so?

Kennen Sie das: Immer wenn Sie eine Zeitlang verstärkt auf Äh und Öh in Redebeiträgen geachtet haben, gehen Ihnen diese Mikro-Unterbrechungen schwer auf den Wecker. Ein Podcast zum Beispiel, der nur so überquillt von Äh und Öh ist kein echtes Hörvergnügen. Wie spannend das Thema auch immer ist, wenn es nicht einigermaßen flüssig und sicher vorgetragen wird, kann das Dranbleiben eine echte Herausforderung sein. Auch beim öffentlichen Sprechen stören allzuviele Überbrückungslaute. Wir fragen uns: Warum geht das nicht flüssiger? Hat sich der Redner nicht gut vorbereitet? Weiß die Rednerin nicht, was sie sagen will? Haben er oder sie keine wichtigen, interessanten Botschaften, die klar und überzeugend vorgebracht werden können? Viele Äh und Öh in und zwischen Sätzen lassen Redende unsicher wirken. Und das ist sehr schade, denn die Inhalte der Vortragenden sind oft durchaus wichtig und interessant - und haben die Abwertung durch stockendes Sprechen nicht verdient.

Wie lassen sich Äh und Öh raushalten aus Redebeiträgen?

Tipp Nummer 1 fürs freie, flüssige Reden: Sich selbst beobachten

Oft merken wir gar nicht, dass wir uns mit Äh- und Öh-Lauten ständig selbst unterbrechen. Wenn wir die lästigen Laute gar nicht wahrnehmen, können wir sie uns natürlich auch nicht abtrainieren. Der erste Tipp ist daher: Versuche, beim Sprechen zu merken, wann du ein Äh oder Öh einbaust. Einfach nur beobachten und registrieren: Ok, da ist mir ein Äh oder Öh rausgerutscht. Sich selber aufnehmen und dann die eigene Rede später anhören, ist auch ein Weg. Bei unseren Club-Abenden gibt es die Möglichkeit, seine Rede per Video aufzeichnen zu lassen. Das spätere Anschauen und Auswerten kostet beim ersten Mal einen kleinen Ruck der Überwindung, aber hilft sehr bei der Selbst-Analyse. 

Tipp Nummer 2 fürs freie, flüssige Reden: Sich vornehmen, flüssig zu reden

Es ist immer wieder faszinierend zu erleben: Ein Toastmaster-Mitglied hat in eher informellen Redesituationen - zum Beispiel bei einer Vorstellungsrunde - mit Äh und Öh nur so um sich geworfen - betritt dann die Bühne und hält eine vorbereitete Rede. Plötzlich ist kein Verlegensheitslaut mehr zu hören. Das geschieht sogar bei Stegreifreden, den spontanen Reden, die zu unseren Club-Abenden gehören. In dem Moment, wo klar ist: Jetzt halte ich eine Rede vor Publikum, legt sich bei manchen Menschen ein Schalter um. Volle Konzentration setzt ein und der Fokus liegt auf der Präsentation von Inhalten. Auch wenn das nicht bei jedem automatisch so passiert, diese Konzentration lässt sich bewusst aktivieren. Sagen Sie sich: Ich will jetzt flüssig sprechen und ich habe etwas Wichtiges zu sagen, das ich störungsfrei vortragen möchte. Allein dieser Vorsatz wird einige Äh und Öh ausmerzen - und jede Mikro-Unterbrechung weniger macht Ihre Reden überzeugender.

Tipp Nummer 3 fürs freie, flüssige Reden: Sich Raum nehmen

Nehmen Sie sich den Raum, der Ihnen zusteht. Wenn Sie eine vorbereitete Rede halten, ist Ihr Publikum gespannt darauf, was Sie zu sagen haben. Wenn Sie spontan aufgefordert sind, Ihre Sichtweise zu einer Diskussion beizutragen, wollen andere Ihre Meinung hören. Wenn Sie in einem Einzelgespräch oder in einer Gruppe das Wort ergreifen, wollen Sie etwas Wertvolles beitragen. Alles gute Gründe, sich körperlich, räumlich, zeitlich Raum zu nehmen für den eigenen Redebeitrag. Keine Eile - Sie betreten real oder im übertragenen Sinne einen Raum, der jetzt Ihnen gehört. Sie haben Zeit, in Ruhe zu atmen, Ihre Zuhörenden anzuschauen, sich auf eine Art und Weise hinzustellen oder im Sitzen aufzurichten, sodass Sie sich wohlfühlen. Sie nehmen sich den Raum, in Ruhe zu sagen, was Sie sagen wollen.

Tipp Nummer 4 fürs freie, flüssige Reden: Sich mit kurzen Sätzen helfen

Mehrere kurze Sätze sind leichter ohne Äh und Öh zu überstehen als ein nicht enden wollender Bandwurmsatz. Im Deutschen können Sie Haupt- und Nebensätze schier unendlich ineinander verschachteln. Auf diese Weise bauen Sie zum Beispiel Einschübe - mit mehr oder weniger wichtigen Zusatzinformationen - ein. Zwischen bauen ... und ein liegt ein kleiner Umweg, auf dem sich leicht vergessen lässt, was dem bauen eigentlich folgen sollte - und Schwups schleicht sich ein ein-Äh ein ins einbauen. Bei kürzeren Sätzen sinkt die Gefahr, sich zu verlieren und am Ende des Satzes nicht mehr zu wissen, wie man ihn angefangen hat und somit vernünftig zu Ende bekommen kann. Vor allem bei zusammengesetzen Verben wirklich nicht einfach. Natürlich lassen sich nicht endlos kurze Subjekt-Prädikat-Objekt aneinanderreihen. Das klingt dann zu abgehackt. Probieren Sie mal diesen Rhythmus aus: Zwei kurze Hauptsätze, dann ein etwas längerer Hauptsatz mit Nebensatz. Dann wieder einer kurzer Satz ... und so weiter. Das kann Ihre Rede nicht nur von Äh und Öh befreien, sondern auch knackiger und leicht verständlicher machen.

Tipp Nummer 5 fürs freie, flüssige Reden: Sich Zeit nehmen 

Mut zu Pausen! Der wichtigste Tipp ist einer, der von den meisten von uns am intensivsten geübt werden muss: Mehr Pausen machen! Statt Verlegenheitsgeräusche loszuwerden, kann man auch einfach schweigen - sich eine Atempause gönnen, wieder sammeln und so auf den nächsten Satz vorbereiten. "Lass dir mehr Zeit - mach mehr Pausen" ist ein häufiges Feedback, das wir uns gegenseitig bei den Toastmasters Club-Abenden geben. Pausen bringen Ruhe und Fokus in eine Rede und helfen den Zuhörenden zu verarbeiten, was sie gehört haben. Experimentieren Sie doch mal damit, wie lange eine Pause dauern darf, bevor Ihr Publikum wirklich ein bisschen unruhig wird. Meist ist das länger als Sie dachten. Oder denken Sie an die Reden von Barack Obama - ein Meister der Pausen. Er hat nicht nur am Ende des Satzes geschwiegen und seine Botschaft wirken lassen, sondern auch mitten im Satz und damit die Spannung gesteigert. Wichtig dabei: Immer den Augenkontakt mit dem Publikum halten.

Einen Extra-Tipp habe ich auf der Website von sozusagen.at gefunden. Wie klingt ein abgeschlossener Satz? Anders als eine Frage! Das Signal für einen beendeten Satz ist es, die Stimme zu senken. Bei einer Frage heben wir dagegen am Ende die Stimme an - und tun das auch vor einem Nebensatz. Einen Satz klar beenden durch Senken der Stimme am Ende der Aussage, kann Äh und Öh stark reduzieren helfen. Zumindest, wenn Sie nach dem Satz genüsslich die Kraft des Schweigens auskosten.

Und hier noch ein finaler Extra-Extra-Tipp: Nehmen Sie es ernst mit dem Äh- und Öh-Wegtrainieren - aber bitte nicht zu ernst. Seien Sie wertschätzend mit sich. Loben Sie jede kleine Verbesserung. Nur so macht lernen Spaß. Außerdem: Die Dosis macht den Unterschied. Wohl jedem rutscht einmal ein Äh oder Öh raus - von den vielen Füllwörtern wie "sozusagen, also, genau und ja" ganz zu schweigen. Wir bei den Toastmasters wollen sie einfach nur reduzieren. Dabei hilft uns der oder die Füllwort-Zähler/in des Abends - und immer wieder: Üben, üben, üben.

Lust aufs Reden üben in wertschätzender Umgebung? Kommen Sie als Gast zum nächsten Club-Abend!

Hier finden Sie die aktuellen Termine der Toastmasters Mut und Rede in Berlin-Neukölln:

https://www.meetup.com/de-DE/mut-und-rede-toastmasters-neukoelln/

Tragen Sie sich in unseren Newsletter ein und schauen Sie sich die genaue Wegbeschreibung an:

https://mut-und-rede.de/kontakt

 

Foto: Jerzy Górecki auf Pixabay  

 

      
District 95 · Division C · Area 6 · Club 1025950

© 2020 Toastmasters, Alle Rechte vorbehalten
Website design by Gridvibe